Stillen – Die natürlichste Sache der Welt? (Gastbeitrag)

Heute habe ich wieder einen tollen Gastbeitrag – diesmal von Isa vom Blog „Lari Lara“ – für Euch. Es geht um eins der vielen Mama-Themen, über die immer wieder kontrovers diskutiert wird: das Stillen! Für mich persönlich gibt es ehrlich gesagt gar nicht so viel darüber zu diskutieren. Wir haben unseren individuellen Weg gefunden und sind damit sehr glücklich und generell bin ich ein Mensch der eher die Einstellung vertritt: „jeder soll das tun, womit er sich wohlfühlt – Leben und Leben lassen“.

Dennoch teile ich Isas Meinung: über das Stillen kann man nicht oft genug sprechen wie ein erst kürzlich aktueller Fall in Hamburg zeigt – auch wenn manche glauben, das Thema sei mittlerweile totgeredet.  Darum kommt nun Isa hier ausführlich zu Wort:

Stillen – Die natürlichste Sache der Welt?

Manche sagen, es sei ein abgedroschenes Thema. Ich denke, es kann nie oft genug darüber gesprochen werden, um die Natürlichkeit dieses Themas in der Öffentlichkeit präsent zu machen.

Der jüngste Vorfall ereignete sich Anfang Juni in Hamburg. Eine junge Mutter geht den Bedürfnissen ihres Kindes nach, das nach Nahrung verlangt. Sie legt es an die Brust. Dezent. Sie packt weder ihr Brust in vollem Umfang aus, noch ruft sie „Seht her! Ich stille jetzt“ Sie macht das auf eine diskrete Art und trotzdem kommt es zum Eklat. Eine ältere Dame fühlt sich belästigt und beschwert sich beim Fahrer. „Tut mir leid, liebe Dame, wenn Sie da nicht hinsehen mögen. Steigen Sie doch bitte aus und nehmen Sie den nächsten Bus“. Toll. Gute Reaktion. Leider entspricht das nicht der Wahrheit. Denn der Busfahrer nimmt sein Mikrofon und bittet die junge Mutter mit dem Stillen aufzuhören oder auszusteigen. Der Bus ist gut besetzt. Die Mutter weigert sich. Andere Fahrgäste demütigen sie ebenfalls und zwingen sie so unter Protest den Bus zu verlassen.

Was hätte ich getan?

Ich habe 2 Kinder, die ich beide gestillt habe. Ich kann mich gut in die Lage der Hamburgerin versetzen. Es ist entsetzlich, so degradiert zu werden. Bei meinem 2. Kind bin ich auch jeden Tag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs gewesen und mir graute es davor, dass sie Hunger bekommen könnte. Warum? Ja, warum eigentlich. Weil es eben nicht mehr die natürlichste Sache der Welt zu sein scheint, den Grundbedürfnissen eines Säuglings bzw. Kindes nachzugehen. Ich habe ganze 2x in Bus oder U-Bahn gestillt und es hat sich nicht gut angefühlt. Ich wurde beobachtet, es wurde getuschelt. Das Skurrile aber: lasse ich das Kind ein paar Minuten schreien, kommen ebenso doofe Kommentare wie „Kümmern Sie sich doch mal um ihr Kind“, „Ei, es hat Hunger, ne?“. Hätte ich es an Ort und Stelle gestillt, wäre wohl das Gleiche passiert wie kürzlich. Antwort: ich wäre wohl auch irgendwann ausgestiegen.

Laut dem Robert-Koch-Institut stillen in Deutschland 81,5 % der Mütter. Die Stilldauer beträgt durchschnittlich 6,9 Monate, die des vollen Stillens 4,6 Monate. Ich möchte hier jetzt nicht auf die Vorteile des Stillens eingehen, denn die kennen wir. Doch wenn so viele Mütter stillen, frage ich mich, tun sie das wirklich meist hinter verschlossenen Türen? Klar, es gibt die Gruppen der Stillbefürworter, die überall stillen und dies auch offensichtlich genießen. Es gibt diejenigen, die gerne stillen, dies aber diskret tun, wie z.B. ein Tuch über die Brust und Babys Kopf legen oder sich abgewandt zur öffentlichen Gruppe positionieren. Babys haben Hunger und sollten auch sofort etwas zu essen bzw. trinken bekommen. Doch wie sollte das Thema behandelt werden, damit es nicht mehr zu solchen Vorfällen wie in der Hochbahn kommt?

Quelle: Pixabay

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Das Generationenproblem

Die ältere Dame die sich im Bus beschwert hatte, ist sicherlich in einer Zeit aufgewachsen, in der das Stillen nicht befürwortet wurde. Ich kenne auch einen Fall aus dem Freundeskreis, da sagte die Oma mal zur schwangeren Enkelin, sie solle doch ihren Babybauch unter weiten Klamotten verstecken. Es gehöre sich nicht, enge Shirts zu tragen und den Bauch zur Schau zu stellen. Das ist ein Generationenproblem. Ok. Aber wieso kam der Frau niemand zu Hilfe? Das verstehe ich nicht. Wo sind die toleranten und hilfsbereiten Menschen? Oder ist Deutschland so prüde? Dann müssen wir uns nicht wundern, wenn die Geburtenrate weiter sinkt. Aber dann hätte sich das Thema Stillen ja auch schon fast erledigt. Dann gibt es bald kaum noch stillende Frauen. Und wo keine Milch ist, ist auch kein Aufsehen. (Deutschland liegt weltweit übrigens nur auf dem letzten Platz der Geburtenrate, weil der Berechnungsparameter in der aktuellen Studie geändert wurde. Sonst lagen wir nur im hinteren Feld).

Kinderfreundliches Deutschland

Bei meinem 1. Kind fand ich es noch befremdlich in der Öffentlichkeit zu stillen, tat es nur, wenn es wirklich nicht anders ging. Bei der zweiten Maus wurde ich schon lockerer. Trotzdem hatte ich immer das Gefühl etwas Verbotenes zu tun. Kam dann mal ein Lächeln einer Passantin zurück, tat das sehr gut und bestätigte mich in meinem Verhalten. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis Deutschland versteht, dass Menschen nur Kinder bekommen, wenn diese auch willkommen sind. Mit allem was dazu gehört. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bessere Unterstützung bei Problemfällen und die jede (stillende) Frau betreffende Frage: kann ich hier stillen? Ist mein Kind hier erwünscht (Café etc.)?

Die Hochbahn hat sich bei der jungen Mutter entschuldigt und die Entschuldigung wurde akzeptiert. Der Busfahrer kam davon. Eine Kündigung wurde nicht ausgesprochen. Ich hoffe, er hat verstanden dass sein Verhalten unter der Gürtellinie war. Danke, Hochbahn, dass diese Krisenkommunikation so schnell ernst genommen und gehandelt wurde.

 

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