Klartext // Ich wurde adoptiert – ist man in der Familie wirklich ein fremdes Kind?

Dieser Beitrag erschien zuerst als Gastbeitrag auf Janinas Blog „Herzmutter

Eine ganz persönliche Geschichte zum Thema Adoption

Alles begann damit, dass Freunde von uns große Schwierigkeiten hatten ein Kind zu bekommen. Das ist ja heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr. Je länger die Sache dauerte, umso belastender wurde das Ganze. Bei einem längeren Gespräch mit eben dieser Freundin kamen wir in diesem Zuge auf das Thema Adoption zu sprechen.  Ich sagte, dass dies ja auch eine Möglichkeit wäre, wenn es denn nun überhaupt nicht klappt und man sich dieses Kind aber doch so sehr wünscht. Sie verneinte diese Möglichkeit so heftig, dass ich fast schon ein bisschen verletzt war – warum, dazu gleich mehr. In der Folge machte ich mir viele Gedanken über dieses Gespräch. Warum lehnt jemand so rigoros eine Adoption ab? Glaubt der- oder diejenige, dass man ein fremdes Kind nicht genauso lieben kann wie sein eigenes?

Als ich einige Monate später einen Artikel der lieben Nicole von Schlaflose Muttis zum Thema Abtreibung las, reifte in mir der Entschluss: ich muss diese meine Geschichte erzählen. Mein Thema hier hat eigentlich gar nicht so viel damit zu tun. Abtreibung – in diesem Fall eine nicht stattgefundene – spielt dabei nur sekundär eine Rolle. Und dennoch gab die Diskussion die unter dem Artikel – in Form von Kommentaren – geführt wurde, den Anstoß dazu, diesen Beitrag zu schreiben.

Ich bin so ein Kind – entstanden aus einem Akt der Gewalt!

Nicole spricht sich in ihrem Artikel ausdrücklich gegen Abtreibung aus – und das können sicher alle liebenden Mamis mehr als verstehen. Welche Mami kann sich schon vorstellen solch ein zauberhaftes Wesen wie ein Kind jemals abzutreiben. Die meisten der Leser/innen nahmen jedoch die Position ein, dass eine Abtreibung eine sehr persönliche Entscheidung ist, und dies auch immer unter den entsprechenden Umständen gesehen werden muss. Auch ich teile diese Einstellung und kann gewisse Gründe für eine Abtreibung nachvollziehen. Eine Vergewaltigung zum Beispiel. Ich könnte jede Frau verstehen, die ein Kind nicht bekommen möchte, weil sie durch dieses Kind eben immer an dieses gewaltsame Erlebnis erinnert wird. Und trotzdem gibt es da draußen Frauen, die auch diese Kinder austragen und ihnen ein Leben schenken – so wie es meine leibliche Mutter damals tat…

Und so beginnt sie, meine Geschichte. Ja, ihr habt richtig gelesen: ich bin so ein Kind – entstanden aus einem Akt der Gewalt! Erfahren habe ich es erst sehr spät – meine leibliche Mutter hat mich damals nach der Geburt zur Adoption freigegeben. Dadurch hatte ich die Chance wohlbehütet und sehr geliebt bei meinen Eltern aufzuwachsen. Und dafür bin ich sehr dankbar!

Mir hätte nichts Besseres passieren können, als diese Adoption

Damit will ich sagen: mir hätte nichts Besseres passieren können,  als diese Adoption. Meine Eltern haben bewiesen, dass es nicht wichtig ist, ob man blutsverwand ist oder ob man dieses Kind selbst ausgetragen hat, um es so zu lieben wie sein eigenes. Ich wäre heute nicht die, die ich bin, hätte ich nicht diese wunderbaren Eltern. Meine Eltern sind immer sehr offen mit diesem Thema umgegangen. Sie haben nie verheimlicht, dass ich eben nicht aus Mamas Bauch gekommen bin, sondern haben mir immer – von Beginn an – erklärt, dass ich adoptiert bin. Zu Beginn spielerisch und eben so wie es ein Kind versteht. Später dann auch ausführlich.

Das Thema war nie tabu. Sie haben mir immer signalisiert, dass ich meine leibliche Mutter suchen kann wenn ich möchte und sie mich dabei auch unterstützen würden. Lange Zeit hatte ich jedoch nicht das Bedürfnis danach. Daher war ich so unheimlich verletzt, als meine Freundin dieses Thema so vehement ausschloss. Natürlich weiß ich, dass jeder diese Entscheidung für sich selbst treffen muss. Und ich toleriere diese Entscheidung natürlich und respektiere sie auch. Aber es gibt so viele Kinder da draußen denen es schlecht geht und die es verdient hätten geliebt aufzuwachsen.

Auch für uns war Adoption defintiv ein Thema. Ich weiß, dass ich ein Kind genauso lieben könnte wie mein eigenes, auch wenn ich es nicht ausgetragen hätte. Schließlich wächst es bei mir auf, sieht mich als seine Mama, braucht mich, und wird mir bedingungslos vertrauen. Als es bei uns nicht so klappen wollte mit dem Kind, haben wir uns auch bereits ausführlich informiert. Dann wurde ich plötzlich schwanger und das Thema war erstmal auf Eis gelegt. Vergessen habe ich es nie. Mittlerweile bin ich 36 Jahre alt und in diesem Alter wird es einem von den Behörden sehr schwer gemacht ein Kind zu adoptieren. Das auszuführen würde aber heute zu weit führen.

Was wäre, wenn ich bei ihr geblieben wäre?

Ich bin nicht böse, traurig oder sauer, dass meine leibliche Mutter mich damals weg gegeben hat.  Im Gegenteil. Wie mutig von ihr, diese Entscheidung zu treffen. Dazu muss man wissen, dass meine Mutter gerade 15 Jahre alt war, als ich geboren wurde. Ihre Familie war zerrüttet, sie hatte schwere Schicksalsschläge hinter sich und ist auch heute noch sehr labil und instabil. Wäre ich bei ihr geblieben, wer weiß, was aus mir geworden wäre. Es gäbe noch so viel mehr zu erzählen. Wie ich mich fühle, seit ich weiß, dass ich bei einer Vergewaltigung gezeugt wurde. Warum ich mich dann doch entschlossen habe, meine leibliche Mutter zu suchen und wie unser Verhältnis heute ist.  Das alles würde diesen Beitrag sprengen. Vielleicht an einem anderen Tag – falls Interesse daran besteht.

Ich weiß aber aus Erfahrung, dass viele Fragen kommen, wenn ich über dieses Thema spreche. So offen wie heute hier habe ich das bisher selten getan, obwohl meine guten Freunde alle davon wissen. Scheut Euch nicht, diese Fragen zu stellen – vielleicht gibt es ja sogar jemanden unter Euch, der ähnliches erlebt hat? Dann würde ich mich sehr über einen Austausch freuen.

Falls jemand da draußen diesen Post liest und gerade über das Thema Adoption nachdenkt, so kann ich ihn nur darin bestärken unbedingt diesen Weg zu gehen. Mit allen Hürden, die überwunden werden müssen. Als betroffenes Kind  weiß ich, wie wertvoll es ist, in einem liebevollen und fürsorglichen Umfeld aufzuwachsen! Und auch wenn sie es nicht lesen: DANKE MAMA, DANKE PAPA!

Eure Anna

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